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Unendlich viele Doppelgänger aus der Parallelwelt

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Dieser Text ist eine Besprechung eines Kapitels aus dem Buch “The Hidden Reality: Parallel Universes and the Deep Laws of the Cosmos” von Brian Greene. Links zu den Besprechungen der anderen Kapitel finden sich hier


Unser Universum ist groß. Sehr groß. so groß, dass wir vielleicht jeden Menge an interessanten Sachen übersehen. Zum Beispiel den kleinen blauen Planeten der eine kleine gelbe Sonne umkreist und auf dem ein Blogger in einem Blog namens “Astrodicticum Simplex” gerade einen Artikel über Parallelwelten schreibt. Nein, ich rede nicht von der Erde und von mir. Genauer gesagt: ich rede nicht von dieser Ausgabe von mir, die diesen Text gerade tippt sondern von einem Doppelgänger der weit, weit entfernt im All genau das gleiche macht. Denn wie Brian Greene im ersten Kapitel über das “Patchwork-Multiversum” (“quilted multiverse”) schreibt, könnte unser Universum voll mit Parallelwelten sein.

Die Frage um die sich hier alles dreht lautet: ist das Universum unendlich groß oder nicht? Die Sache mit der Größe des Universums ist ja immer ein wenig verwirrend. Wir wissen, dass es etwa 13.7 Milliarden Jahre alt ist, also könnte man auch denken, dass es höchsten 27.4 Milliarden Lichtjahre durchmisst (13.7 Milliarden Lichtjahre in jede Richtung) weil es ja nicht länger Zeit hatte, sich auszubreiten. Aber genau die Expansion des Universums haben wir in dieser Rechnung nicht berücksichtigt. Denn sie führt dazu, dass sich die Objekte, deren Licht durchs All strahlt und schließlich bei uns anlangt in der Zwischenzeit weiter von uns entfernt haben. Im Endeffekt bedeutet das, dass wir nicht nur 13.7 Milliarden Lichtjahre in jede Richtung sondern etwa 41 Milliarden Lichtjahre sehen können. Damit wissen wir aber noch nichts über das, was außerhalb dieses Bereich liegt. Das Universum kann durchaus noch größer sein aber weiter als diese 41 Milliarden Lichtjahre können wir nicht sehen: sie stellen unseren kosmischen Horizont dar.

Neben der Ausdehnung des für uns sichtbaren Universums ist die Frage nach der Form des Universums ebenfalls enorm wichtig. Welche Geometrie liegt unserem Universum zugrunde und ist es unendlich groß oder nicht? Wie Einstein uns in der allgemeinen Relativitätstheorie erklärt hat, hängt die Krümmung der Raumzeit und damit die Form des Universums von der gesamten Masse und Energie die es beinhaltet ab. Die vierdimensionale Raumzeit lässt sich schwer visualisieren aber mit weniger Dimensionen kann man das gut veranschaulichen. Das Universum könnte wie die Oberfläche einer Kugel sein. Es hätte dann eine positive Krümmung, wäre unbegrenzt (man kann auf einer Kugeloberfläche rumlaufen solange man möchte und wird doch nie auf eine Grenze stossen) aber endlich groß. Oder es ähnelt einer flachen Ebene. Dann wäre die Krümmung gleich Null und die Ebene unendlich weit ausgedehnt. Die letzte Möglichkeit wäre ein Universum mit negativer Krümmung. So eine Form lässt sich schwer veranschaulichen aber es sieht im Wesentlichen wie ein unendlich großer Pringles-Chip aus. Bei positiver Krümmung also ist das Universum endlich groß, ansonsten unendlich (Es gäbe noch den Spezialfall des “Videospiel”-Universums. Das hat eine Krümmung gleich Null, ist also flach aber nur endlich groß. Und so wie bei manchen Videospielen gibt es auch hier keine Grenze. Verlässt man den Bildschirm auf der einen Seite taucht man am auf der anderen Seite wieder auf).

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Die verschiedenen Formen des Universums (zweidimensionale Veranschaulichung – Bild: NASA)

Die simplen Analogien könnten manchen vielleicht veranlassen zu glauben, wir müssten auf jedem Fall im “Kugeluniversum” leben. Denn immerhin gab es ja mal den Urknall, alles war auf einen Punkt konzentriert und dehnt sich seitdem aus. Mit einem flachen, unendlich ausgedehnten Universum kann das schwer klappen. Lässt man das unendlich große Universum um die Hälfte schrumpfen ist es ja immer noch unendlich groß. Wie soll man da jemals auf den Punkt des Urknalls kommen? Das geht nicht, aber das ist auch nicht nötig. Es geht darum, dass die Dichte des Universums immer mehr zunimmt, je weiter man sich dem Urknall nähert. In einem endlich großen Universum kann sich hier tatsächlich vorstellen, dass der Raum selbst immer kleiner und kleiner wird. In einem unendlich großen Universum ist das nicht der Fall. Das ist immer unendlich groß und es war immer unendlich groß. Es war früher einfach nur – an jedem Punkt – dichter als heute.

Jetzt fragt man sich natürlich: welche Form hat unser Universum? Wenn es im Durchschnitt das Massenäquivalent von sechs Wasserstoffatomen pro Kubikmeter enthält, dann ist seine Krümmung genau gleich Null. Bei mehr Masse ist die Krümmung positiv, bei weniger ist sie negativ. Sechs Wasserstoffatome klingen nach wenig – aber das Universum ist groß und es enthält sehr, sehr viele Kubikmeter. Wenn wir all das was wir momentan an Masse und Energie im Universum messen und beobachten können zusammenzählen, dann kommen wir überraschenderweise tatsächlich mehr oder weniger genau auf diese sechs Wasserstoffatome. Das Universum scheint tatsächlich flach zu sein. Ob es nun aber endlich oder unendlich groß ist, wissen wir nicht.

Sollte es aber wirklich unendlich groß sein, dann eröffnen sich spannende Möglichkeiten. Brian Greene erklärt das zuerst an folgendem Beispiel: angenommen man hat fünfhundert Kleider und tausend paar Schuhe. Wieviele verschiedene Outfits lassen sich daraus kombinieren? Das ist einfach: 500000! Wenn man jeden Tag ein anderes Outfit trägt, dann wiederholt man sich erst nach knapp 1400 Jahren. Hat man mehr Schuhe und Kleider zur Verfügung, kommt man länger ohne Wiederholung aus. Sollte man aber zufälligerweise unsterblich sein, dann wird immer irgendwann der Tag kommen, an dem man sich wiederholen muss. Solange man nur eine endliche Anzahl von Kleidungsstücken besitzt, verliert man immer gegen die Unendlichkeit. Stellen wir uns nun vor, wir leben in einem unendlich großen Universum. “Unser” Universum besteht aus allem, was innerhalb unseres kosmischen Horizonts ist – es ist eine Insel mit knapp 90 Milliarden Lichtjahren Durchmesser. Das ist viel. Aber das Universum ist unendlich groß und es wird dort noch jede Menge andere solcher Inseln geben, alle mit ihrem eigenen kosmischen Horizont die völlig unabhängig voneinander existieren. Existieren müssen – anders geht es nicht. Wir können nun also das Universum in lauter gleich große Bereiche einteilen die z.B. alle 90 Milliarden Lichtjahre groß sind (und in der Mitte eines solchen Bereichs befinden wir uns). In jedem dieser Bereiche befindet sich Materie und diese Materie wird auf eine ganz bestimmte Art und Weise angeordnet sein.

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Das Universum als Patchworkdecke? (Bild: Natasha2006)

Wieviele Möglichkeiten gibt es jetzt, diese Materie anzuordnen? Unendlich viele? Nicht wirklich. Es gibt zwar wirklich jede Menge Materie aber die Elementarteilchen können nicht beliebige Positionen einnehmen. Es gilt die Unschärferelation der Quantenmechanik die uns sagt, dass wir die relevanten Parameter nicht beliebig genau messen können. Nicht weil uns die Technik fehlt, sondern weil es prinzipiell nicht geht. Der Auflösung sind also Grenzen gesetzt und daher kann es auch nur endlich viele Möglichkeiten geben, wie die Materie in einem begrenzten Raumbereich angeordnet ist. Gut, die Zahl Möglichkeiten ist immer noch schwindelerregend hoch – es sind etwa 1010122 verschiedene Kombinationen möglich. Diese Zahl ist so groß, dass man sie nicht wirklich veranschaulichen kann. Aber so groß sie auch sein mag, im Vergleich mit der Unendlichkeit ist sie immer noch nichts. Wenn also nur endlich viele Kombinationen möglich sind und das Universum unendlich groß ist: dann muss es irgendwann zu Wiederholungen kommen. Irgendwo in diesem unendlichen Universum muss es also einen Insel geben, in der die Materie ganz genau so angeordnet ist wie hier bei uns. Unsere Galaxie, unsere Sonne, unsere Erde – jeder einzelne von uns wäre dort genauso vorhanden wie hier und würde das gleiche denken, tun und fühlen (es sei denn man glaubt daran, dass Menschen nur deswegen lebendig sind, weil Gott dem ansonsten unbelebten Materiehaufen einen Lebensfunken eingehaucht hat). Es muss dann sogar unendlich viele solcher exakten Kopien geben. Und jede Menge Variationen. In einer dieser Parallelwelten habe ich heute vielleicht lieber einen Spaziergang gemacht als diesen Blogeintrag zu schreiben. In einer anderen Welt habe ich nie zu bloggen angefangen. In irgendeiner Welt habe ich Brian Greene umgebracht und sein Buch zu Paralleluniversen ist nie erschienen. Und in einer wieder anderen Welt hat Brian Greene mich abgemurkst ;)

Wir wissen noch nicht, ob unser Universum unendlich groß ist oder nicht. Aber vermutlich werden wir es irgendwann herausfinden und dann werden wir wissen, ob sich dort noch eine Armee von Doppelgängern herumtreibt oder nicht.

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